Was sich derzeit in Wiesbaden abspielt, ist mit
Worten schwer zu beschreiben. Am gestrigen Abend gelang vor heimischem Publikum
der nächste Sieg in der Liga. Mit 2:1 (1:0) bezwangen die rot-weißen Union
Leverkusen. Damit feierten die Hessen den dritten Sieg in Serie und sind nun
schon seit vier Partien ungeschlagen.
Nach dem Kräfte zehrenden Pokal-Fight in Kiel nahm Trainer und
Manager Kevin_93 ein paar Änderungen vor. Arno Hinzmann, Niels Thomasson, Emre
Uluck sowie Rainer Hofer saßen nur auf der Bank. „Wir haben noch einige Spiele
vor uns, vor allem mit der Doppelbelastung im Pokal. Da müssen wir auch mal
rotieren und wichtigen Spielern eine Pause gönnen“, sagte er. So spielte RWW in
einem 3-5-2 System. Leverkusen setzte in der Fremde mit einem 4-3-3 voll auf
Angriff.
Diese Einstellung wurde auch gleich deutlich. Leverkusen machte viel
Druck in der Anfangsphase. Viele Flanken wurden in den Wiesbadener Strafraum
geschlagen, doch entweder ein Abwehrspieler klärte souverän oder Abdelzaher
Uada hatte in seinem 16er alles im Griff. RWW spielte zunächst abwartend. Zu
passiv waren die Gastgeber allerdings nicht.
In der neunten Minute wurde zum ersten Mal im eigenen Stadion
gekontert und schon schlug es hinter Leverkusens Torhüter ein. Tobias Glaser
lief einmal über das halbe Feld, bediente Sergio Acosta mit einem guten
Zuspiel, der Spielmacher zog auf rechts zwei Gegenspieler auf sich, flankte
gefühlvoll in den 16er und Michael Dessel nickte ein zum 1:0. Schon jetzt waren
die über 35.000 Zuschauer in der RWW-Arena aus dem Häuschen. Leverkusen
versuchte es im Anschluss weiter mit druckvollem Offensivspiel. Im Mittelfeld
waren sie jedoch immer wieder in der Unterzahl. Viele Zuspiele in die Spitze
konnten oftmals schon früh verhindert werden. Dennoch lief der Ball gut in den
Reihen der Rheinländer.
Wiesbaden stand weiterhin kompakt, doch jetzt griffen sie den Gegner
schon früher an. Es entwickelte sich ein schnelles Spiel auf hohem Niveau.
Leverkusen brauchte 23 Minuten, um sich eine erste Torchance zu erspielen. Der
starke William Goodson, der immer gegen Wiesbaden in Höchstform ist, ließ zwei
Gegenspieler alt aussehen, war im Strafraum links durch, fand mit seinem
Rückpass Hugo Gordillo, doch der Angreifer scheiterte mit seinem abgefälschten
Schuss an Abdelzaher Uada.
Auf der anderen Seite stand die Abwehr der Union alles andere als
gut. Bei einem weiteren schnellen Vorstoß bekam rot-weiß seine zweite gute
Gelegenheit. Dieses Mal spielte Khalid Maduni einen überragenden Steilpass auf
Sergio Acosta, der lief alleine
halbrechts durch, versuchte es aus spitzem Winkel, doch der Ball landete am
Außennetz (32.). Bis zur Pause blieb das Spiel rasant. Auf der einen Seite
verhinderten zwei Abseitspositionen weitere gute Tormöglichkeiten für Tobias
Glaser und Maurice Bergougnoux. Im anderen Strafraum rannten sich Makoto
Dongbang und Maxime Almond nach einer perfekten Flanke gegenseitig über den
Haufen, so dass es zu keiner guten Chance kommen konnte.
Noch spielfreudiger und entschlossener zeigte sich Leverkusen nach
Wideranpfiff. Zwei Mal segelten Gäste-Angreifer noch hauchdünn an Flanken
vorbei. Beim dritten guten Angriff fiel das 1:1. Finidi N'Guema sah den
durchstartenden William Goodson, lupfte ihm den Ball direkt in den Lauf und der
Mittelfeldmann traf nach tollem Dribbling mit einem schönen Schlenzer zum
Ausgleich (51.).
Eigentlich hätte die Union jetzt die Kontrolle gänzlich übernehmen
müssen, doch stattdessen schalteten sie einen Gang zurück. Sie probierten es
nicht mehr mit solcher Intensität wie in den ersten Minuten des zweiten
Durchgangs. Sie wollten den Ball durch die eigenen Reihen laufen lassen und
sich so irgendwann das zweite Tor erspielen. Doch da machten die Wiesbadener
nicht mit. Mit ihrem Gezaubere weckte Leverkusen den unbendigen Kampfgeist des
Gegners wieder voll auf.
So verlor die Mannschaft von Trainer Grifer allmählich wieder die
Kontrolle. Jetzt erzwang sich Wiesbaden ein leichtes Übergewicht. Defensiv
standen sie gut und auch offensiv konnten sie die gegenüber stehende
Verteidigung immer wieder vor große Probleme bringen. Wie Ernst es ihnen war
zeigte Tobias Glaser. Er hatte die erneute Führung nach einer Flanke von
Bertrand Toutrot auf dem Fuß, doch er jagte den Ball knapp drüber (64.).
Nur sieben Minuten danach fiel das so wichtige zweite Tor. Sven Treu
fing einen Leverkusener Konterversuch schon im Mittelkreis ab. Jetzt lief der
Ball über Khalid Maduni zu Sergio Acosta auf rechts, der fand den etwas zurück
hängenden Michael Dessel vor dem Strafraum. Der Goalgetter nahm Tempo auf, wich
ein Stück nach links aus, überlief einen Gegenspieler, hätte selbst schießen
können, doch er spielte noch einmal ab zu Maurice Bergougnoux. Der zweite
Stürmer bekam den Ball genau auf den Fuß serviert und schoss aus sechs Metern
flach ein. Leverkusens Torhüter war noch am Ball, doch ihm rutschte das Leder
durch die Hände.
Zum zweiten Mal bebte das Stadion. Wieder einmal hatte RWW die
Chance zum Sieg gegen Leverkusen. Die setzten jetzt natürlich noch einmal alles
auf eine Karte. Sie stürmten nach vorne. Zunächst schnürten sie die Heimelf in
der eigenen Hälfte ein. Maxime Almond bekam in der 80. Minute die Gelegenheit
zum 2:2. Ruut van Gaal setzte sich gegen drei Gegenspieler durch, steckte den
Ball dann noch stark durch zum völlig freistehenden Angreifer, doch er schob den
Ball genau in die Tormitte, wo Abdelzaher Uada zupackte.
Durch diese vergebene Chance wurden die Angriffe der
Gäste-Mannschaft immer verzweifelter und unstrukturierter. RWW gewann jetzt
wieder ein wenig Kontrolle zurück. Sie schafften es allerdings nicht, durch
einen Konter das Spiel zu entscheiden. So musste man bis in die 93. Minute
zittern. Erst dann pfiff der Schiedsrichter ab und verwandelte die Arena in ein
Tollhaus.
Völlig begeistert zeigte sich Trainer und Manager Kevin_93: „Wir
haben heute wieder eines dieser tollen Spiele gesehen. Wir haben gegen eine
Topmannschaft gespielt, die Zuschauer standen hinter uns und die Mannschaft hat
alles gegeben. Heute haben vier Leistungsträger gefehlt, trotzdem schaffen wir
am Ende einen Verdienten Sieg gegen Leverkusen. Es ist einfach unglaublich, was
diese Mannschaft gerade aus sich herausholen kann. Als Leverkusen von Beginn an
so dermaßen Offensiv agiert hat, habe ich gefürchtet, dass das richtig ins Auge
gehen könnte, aber meine Mannschaft hat ihnen mit einem tollen Angriff den Wind
aus den Segeln genommen. Wir haben 90 Minuten stark gespielt. Am Anfang der
zweiten Hälfte hat Leverkusen mit Klasse Fußball den verdienten Ausgleich
geschafft, aber wir sind wieder zurückgekommen. Am Ende hätte sicher noch das 2:2
fallen können, aber mit viel Willenskraft haben wir diese drei Punkte in
Wiesbaden behalten. Ich bin gerade einfach nur stolz auf die Jungs.“
Natürlich darf der Dauergast bei den Interviews, Torschütze Michael
Dessel auch heute nicht fehlen: „Das ist schon geil, was da gerade abläuft. Jeder
will hier in der Mannschaft jedes Spiel gewinnen. So ein tolles Team mit so
viel Moral und Engagement gab es hier noch nie. Hier lässt sich keiner hängen. Obwohl
wir rotiert haben merkt man den Unterschied nicht. Diese Leistung ist fast noch
höher einzuschätzen als die Siege zuvor. Leverkusen hätte heute jede andere
Mannschaft mit Sicherheit abschießen können, aber wenn man andererseits dann
hinten so offen ist, braucht man sich nicht wundern, wenn man die Quittung dafür
bekommt. Unsere beiden Tore fielen zur richtigen Zeit. Am Ende haben wir noch
zittern müssen, aber das ist gegen eine Mannschaft mit so vielen klasse
Fußballern normal. Aber wir haben diese Mannschaft geschlagen. Jetzt schauen
wir, was noch möglich ist, ich habe jedenfalls noch nicht genug.“
Auch der zweite Torschütze Maurice Bergougnoux kam heute zu Wort: „Ich
habe die gesamten 90 Minuten genossen. Wenn man als Mannschaft so funktioniert,
dann ist vieles Einfach. Bei meinem Tor habe ich einfach eine perfekte
Vorarbeit bekommen. In den restlichen 90 Minuten habe ich versucht, alles für
die Mannschaft zu geben. Für mich war mein Tor heute sehr wichtig. Ich habe
länger nicht getroffen und dann tut das einfach nur gut.“
Das Schlusswort hat selbstverständlich Präsident Erik Hausschild: „Das
ist ein Traum, was die Mannschaft da in letzter Zeit spielt. Da kann man nur
Beifall klatschen. Da merkt man auch, dass das Team über eine Saison reifer
wird. Es gab Momente, wo man nach dem Ausgleichstreffer auseinander gefallen
ist. Jetzt machen die Spieler weiter und genau so muss man es auch machen. Ich
bin momentan einfach nur begeistert und zu Frieden. Es muss gar nicht so weiter
gehen, die Saison ist jetzt schon ein voller Erfolg. Ich bin aber überzeugt
davon, dass uns die Mannschaft noch oft in dieser Saison positiv überraschen
kann.“
Nach diesem Spielrückblick der eher emotionalen Seite folgen jetzt
die Fakten. In der Tabelle steht RWW jetzt mit 25 Zählern auf dem neunten
Platz. Inzwischen sind es zwölf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz.
So viele Punkte hatte die Mannschaft noch nie zu dieser Zeit. Ebenso starteten
die Hessen auch nie mit drei Siegen in die Rückrunde. Selbst in der
Aufstiegs-Saison in Liga Zwei gelang das nicht. Das alles ist bezeichnend für
den momentanen erfolg, von dem keiner weiß, woher er kommt.
Die Chance, diese Serie auszubauen gibt es am kommenden Freitag. Am
21. Ligaspieltag tritt rot-weiß bei BW Karlsruhe an. Der Aufsteiger kämpft
gegen den Abstieg und braucht die Punkte dringend. Bei RWW herrscht nach den
letzten furiosen Wochen alles andere als großer Druck. „Die Jungs sollen
einfach nur rausgehen und Fußball spielen, es läuft doch alles wie am
Schnürchen. Warum sich da Druck oder andere negative Gedanken machen?“ Das sind
weise Worte des Präsidenten. Wir würden uns freuen, wenn sie die Mannschaft
befolgen könnte und wir schon bald wieder von einem Erfolg berichten könnten.
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