Montag, 22. Oktober 2012

nächster klasse Auftritt bringt Topteam zu Fall



Nach dem Kräfte zehrenden Pokal-Fight in Kiel nahm Trainer und Manager Kevin_93 ein paar Änderungen vor. Arno Hinzmann, Niels Thomasson, Emre Uluck sowie Rainer Hofer saßen nur auf der Bank. „Wir haben noch einige Spiele vor uns, vor allem mit der Doppelbelastung im Pokal. Da müssen wir auch mal rotieren und wichtigen Spielern eine Pause gönnen“, sagte er. So spielte RWW in einem 3-5-2 System. Leverkusen setzte in der Fremde mit einem 4-3-3 voll auf Angriff.

Diese Einstellung wurde auch gleich deutlich. Leverkusen machte viel Druck in der Anfangsphase. Viele Flanken wurden in den Wiesbadener Strafraum geschlagen, doch entweder ein Abwehrspieler klärte souverän oder Abdelzaher Uada hatte in seinem 16er alles im Griff. RWW spielte zunächst abwartend. Zu passiv waren die Gastgeber allerdings nicht.

In der neunten Minute wurde zum ersten Mal im eigenen Stadion gekontert und schon schlug es hinter Leverkusens Torhüter ein. Tobias Glaser lief einmal über das halbe Feld, bediente Sergio Acosta mit einem guten Zuspiel, der Spielmacher zog auf rechts zwei Gegenspieler auf sich, flankte gefühlvoll in den 16er und Michael Dessel nickte ein zum 1:0. Schon jetzt waren die über 35.000 Zuschauer in der RWW-Arena aus dem Häuschen. Leverkusen versuchte es im Anschluss weiter mit druckvollem Offensivspiel. Im Mittelfeld waren sie jedoch immer wieder in der Unterzahl. Viele Zuspiele in die Spitze konnten oftmals schon früh verhindert werden. Dennoch lief der Ball gut in den Reihen der Rheinländer.

Wiesbaden stand weiterhin kompakt, doch jetzt griffen sie den Gegner schon früher an. Es entwickelte sich ein schnelles Spiel auf hohem Niveau. Leverkusen brauchte 23 Minuten, um sich eine erste Torchance zu erspielen. Der starke William Goodson, der immer gegen Wiesbaden in Höchstform ist, ließ zwei Gegenspieler alt aussehen, war im Strafraum links durch, fand mit seinem Rückpass Hugo Gordillo, doch der Angreifer scheiterte mit seinem abgefälschten Schuss an Abdelzaher Uada.

Auf der anderen Seite stand die Abwehr der Union alles andere als gut. Bei einem weiteren schnellen Vorstoß bekam rot-weiß seine zweite gute Gelegenheit. Dieses Mal spielte Khalid Maduni einen überragenden Steilpass auf Sergio Acosta, der lief  alleine halbrechts durch, versuchte es aus spitzem Winkel, doch der Ball landete am Außennetz (32.). Bis zur Pause blieb das Spiel rasant. Auf der einen Seite verhinderten zwei Abseitspositionen weitere gute Tormöglichkeiten für Tobias Glaser und Maurice Bergougnoux. Im anderen Strafraum rannten sich Makoto Dongbang und Maxime Almond nach einer perfekten Flanke gegenseitig über den Haufen, so dass es zu keiner guten Chance kommen konnte.

Noch spielfreudiger und entschlossener zeigte sich Leverkusen nach Wideranpfiff. Zwei Mal segelten Gäste-Angreifer noch hauchdünn an Flanken vorbei. Beim dritten guten Angriff fiel das 1:1. Finidi N'Guema sah den durchstartenden William Goodson, lupfte ihm den Ball direkt in den Lauf und der Mittelfeldmann traf nach tollem Dribbling mit einem schönen Schlenzer zum Ausgleich (51.).

Eigentlich hätte die Union jetzt die Kontrolle gänzlich übernehmen müssen, doch stattdessen schalteten sie einen Gang zurück. Sie probierten es nicht mehr mit solcher Intensität wie in den ersten Minuten des zweiten Durchgangs. Sie wollten den Ball durch die eigenen Reihen laufen lassen und sich so irgendwann das zweite Tor erspielen. Doch da machten die Wiesbadener nicht mit. Mit ihrem Gezaubere weckte Leverkusen den unbendigen Kampfgeist des Gegners wieder voll auf.

So verlor die Mannschaft von Trainer Grifer allmählich wieder die Kontrolle. Jetzt erzwang sich Wiesbaden ein leichtes Übergewicht. Defensiv standen sie gut und auch offensiv konnten sie die gegenüber stehende Verteidigung immer wieder vor große Probleme bringen. Wie Ernst es ihnen war zeigte Tobias Glaser. Er hatte die erneute Führung nach einer Flanke von Bertrand Toutrot auf dem Fuß, doch er jagte den Ball knapp drüber (64.).

Nur sieben Minuten danach fiel das so wichtige zweite Tor. Sven Treu fing einen Leverkusener Konterversuch schon im Mittelkreis ab. Jetzt lief der Ball über Khalid Maduni zu Sergio Acosta auf rechts, der fand den etwas zurück hängenden Michael Dessel vor dem Strafraum. Der Goalgetter nahm Tempo auf, wich ein Stück nach links aus, überlief einen Gegenspieler, hätte selbst schießen können, doch er spielte noch einmal ab zu Maurice Bergougnoux. Der zweite Stürmer bekam den Ball genau auf den Fuß serviert und schoss aus sechs Metern flach ein. Leverkusens Torhüter war noch am Ball, doch ihm rutschte das Leder durch die Hände.

Zum zweiten Mal bebte das Stadion. Wieder einmal hatte RWW die Chance zum Sieg gegen Leverkusen. Die setzten jetzt natürlich noch einmal alles auf eine Karte. Sie stürmten nach vorne. Zunächst schnürten sie die Heimelf in der eigenen Hälfte ein. Maxime Almond bekam in der 80. Minute die Gelegenheit zum 2:2. Ruut van Gaal setzte sich gegen drei Gegenspieler durch, steckte den Ball dann noch stark durch zum völlig freistehenden Angreifer, doch er schob den Ball genau in die Tormitte, wo Abdelzaher Uada zupackte.

Durch diese vergebene Chance wurden die Angriffe der Gäste-Mannschaft immer verzweifelter und unstrukturierter. RWW gewann jetzt wieder ein wenig Kontrolle zurück. Sie schafften es allerdings nicht, durch einen Konter das Spiel zu entscheiden. So musste man bis in die 93. Minute zittern. Erst dann pfiff der Schiedsrichter ab und verwandelte die Arena in ein Tollhaus.


Natürlich darf der Dauergast bei den Interviews, Torschütze Michael Dessel auch heute nicht fehlen: „Das ist schon geil, was da gerade abläuft. Jeder will hier in der Mannschaft jedes Spiel gewinnen. So ein tolles Team mit so viel Moral und Engagement gab es hier noch nie. Hier lässt sich keiner hängen. Obwohl wir rotiert haben merkt man den Unterschied nicht. Diese Leistung ist fast noch höher einzuschätzen als die Siege zuvor. Leverkusen hätte heute jede andere Mannschaft mit Sicherheit abschießen können, aber wenn man andererseits dann hinten so offen ist, braucht man sich nicht wundern, wenn man die Quittung dafür bekommt. Unsere beiden Tore fielen zur richtigen Zeit. Am Ende haben wir noch zittern müssen, aber das ist gegen eine Mannschaft mit so vielen klasse Fußballern normal. Aber wir haben diese Mannschaft geschlagen. Jetzt schauen wir, was noch möglich ist, ich habe jedenfalls noch nicht genug.“

Auch der zweite Torschütze Maurice Bergougnoux kam heute zu Wort: „Ich habe die gesamten 90 Minuten genossen. Wenn man als Mannschaft so funktioniert, dann ist vieles Einfach. Bei meinem Tor habe ich einfach eine perfekte Vorarbeit bekommen. In den restlichen 90 Minuten habe ich versucht, alles für die Mannschaft zu geben. Für mich war mein Tor heute sehr wichtig. Ich habe länger nicht getroffen und dann tut das einfach nur gut.“

Das Schlusswort hat selbstverständlich Präsident Erik Hausschild: „Das ist ein Traum, was die Mannschaft da in letzter Zeit spielt. Da kann man nur Beifall klatschen. Da merkt man auch, dass das Team über eine Saison reifer wird. Es gab Momente, wo man nach dem Ausgleichstreffer auseinander gefallen ist. Jetzt machen die Spieler weiter und genau so muss man es auch machen. Ich bin momentan einfach nur begeistert und zu Frieden. Es muss gar nicht so weiter gehen, die Saison ist jetzt schon ein voller Erfolg. Ich bin aber überzeugt davon, dass uns die Mannschaft noch oft in dieser Saison positiv überraschen kann.“

Nach diesem Spielrückblick der eher emotionalen Seite folgen jetzt die Fakten. In der Tabelle steht RWW jetzt mit 25 Zählern auf dem neunten Platz. Inzwischen sind es zwölf Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. So viele Punkte hatte die Mannschaft noch nie zu dieser Zeit. Ebenso starteten die Hessen auch nie mit drei Siegen in die Rückrunde. Selbst in der Aufstiegs-Saison in Liga Zwei gelang das nicht. Das alles ist bezeichnend für den momentanen erfolg, von dem keiner weiß, woher er kommt.

Die Chance, diese Serie auszubauen gibt es am kommenden Freitag. Am 21. Ligaspieltag tritt rot-weiß bei BW Karlsruhe an. Der Aufsteiger kämpft gegen den Abstieg und braucht die Punkte dringend. Bei RWW herrscht nach den letzten furiosen Wochen alles andere als großer Druck. „Die Jungs sollen einfach nur rausgehen und Fußball spielen, es läuft doch alles wie am Schnürchen. Warum sich da Druck oder andere negative Gedanken machen?“ Das sind weise Worte des Präsidenten. Wir würden uns freuen, wenn sie die Mannschaft befolgen könnte und wir schon bald wieder von einem Erfolg berichten könnten.

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