Samstag, 20. Oktober 2012

Pokal: Gelungene Aufholjagt in der Kieler Hölle

Der AFB-Pokal wird immer mehr zum Wettbewerb für RW Wiesbaden. Die Spieler von Coach Kevin_93 erreichten das Halbfinale nach einem Sieg beim TSV Kiel. Dafür mussten die Hessen allerdings 90 Minuten lang hart kämpfen. Am Ende hieß es 2:1 (0:1).

Die Kieler Arena glich zum Anpfiff einer Festung. Das Stadion war ausverkauft. Die Fans peitschten ihre Mannschaft gnadenlos nach vorne. „Schon als wir da ins Stadion eingelaufen sind, war uns allen klar, dass das nie und nimmer ein einfaches spiel wird“, erinnerte sich Torhüter Abdelzaher Uada im Nachhinein.

Die rot-weißen agierte mit der Elf, die in Hannover zum Einsatz gekommen war. Die Gastgeber mussten auf ihren Torjäger Mike Neuschütz im Sturm verzichten. So liefen sie wie auch RWW in einem 4-5-1 System auf.

Von Beginn an übernahm die Heimelf zunächst den defensiveren Part. RWW hatte spielerisch einige Freiheiten. Das Ganze ging allerdings nur bis zur Mittellinie gut. Von dort an attackierten die Kieler aggressiv und zielsicher. Da ist es nur selbstverständlich, dass Wiesbaden Mühe hatte, den Rhythmus zu finden. Bezeichnend dafür, wie kompakt und gut Kiel agierte war ein Verzweiflungs-Schuss von Tobias Glaser, der auf der Tribühne landete (11.).

Das Team aus dem Norden machte seine Sache gut. Offensiv fabrizierten aber auch sie zunächst nicht viel Brauchbares. Auch RWW stand defensiv gut und ließ nur wenig zu. Die erste Aggressivität schien nach etwa 20 Minuten aus der Partie zu sein. Bei RWW lief der Ball jetzt sehr sicher. Der Nutzen blieb aber immer noch klein. Kiel hielt immer noch dagegen, aber das Geschehen spielte sich ohne viel Gefahr im Mittelfeld ab.

Plötzlich ging es beim TSV dann aber ganz schnell. Tim Heikkinen erarbeitete sich gegen zwei Gegenspieler im Mittelfeld den Ball. Er schickte Erwin Karweg mit einem Steilpass über Links auf die Reise. Der Mittelfeldspieler stürmte bis zum Strafraum, legte quer auf Armando Fillol, der Regisseur spielte direkt und herrlich mit dem Außenrist weiter in den 16er zu Jens Edberg. Der Angreifer drehte sich einmal um die eigene Achse, schüttelte die beiden Innenverteidiger ab, hatte freie Bahn und jagte den Ball in den rechten Knick zum 1:0 (29.).

Jetzt war das Kieler Publikum nicht mehr zu halten. Wiesbadens Sicherheit ging ganz schnell verloren. Der Ball lief nicht mehr gut. Außerdem ging der Gastgeber jetzt noch kampfbetonter als in der Anfangsphase zu Werke. Die Kieler wurden noch mutiger. Zwei Mal konnte der quirlige Fillol noch in aller letzter Sekunde im Strafraum vom Ball getrennt werden. In der dritten gefährlichen Situation kurz vor der Pause musste Abdelzaher Uada bis zur Strafraumkante stürmen, um vor Jens Edberg am Ball zu sein.

Erleichtert nahmen die Spieler in rot und weiß den Pausenpfiff hin. Gestärkt kehrten sie wenig später aus der Kabine zurück. Die Entschlossenheit war ihnen jetzt ins Gesicht geschrieben. Nun nahm RWW den Kampf an. Mit viel Härte aber auch spielerischer Klasse wurde Kiel jetzt unter Druck gesetzt. Eine Abseitsstellung verhinderte den Ausgleich durch Maciej Jachenko nach nur 70 Sekunden im zweiten Spielabschnitt.

Die Norddeutschen wehrten sich nach wie vor mit viel Engagement. RWW war jetzt aber zwingender und gab wirklich alles. In der 52. Minute kam er dann, der ersehnte schnelle Ausgleich. Tobias Glaser bediente Sergio Acosta per Heber. Überlegt spielte der Chilene nach links außen zu Rainer Hofer. Der sah Emre Uluck halbrechts in den Strafraum laufen. Sein Pass vom linken Strafraumeck kam wunderbar ideal für den Kapitän und der überlupfte Markus Meier im Kieler Tor zum 1:1.

Nun erwarteten viele den Einbruch der Gastgeber. Doch angetrieben von ihren tollen Fans blieb der TSV im Spiel. Rasant ging es jetzt hin und her. Beide Teams wollten so schnell wie möglich in Führung gehen. Dabei gelang beiden Mannschaften der Spagat zwischen Offensive auf der einen und sicherer Defensive auf der anderen Seite gut. Nach einer Flanke von Heikkinen klärte Niels Thomasson in höchster Not vor dem einschussbereiten Edberg (60.). Ein paar Minuten später verhinderte Abdelzaher Uada nach einer verunglückten Kopfballabwehr schlimmeres, indem er den Ball blitzschnell unter sich begrub.

Auch RWW blieb offensiv stets gefährlich. So konnte ein tolles Dribbling von Sergio Acosta nach einer schönen Kombination von mehreren Kieler Abwehrspielern gerade noch unterbunden werden. Auch bei einer Uluck-Ecke war Meier energisch mit beiden Fäusten vor zwei Wiesbadener Spielern zur Stelle, die sich nicht ganz einig waren, wer nun zum Ball gehen soll. Offener hätte das Spiel zu diesem Zeitpunkt nicht sein können.

Wenig später brachte sich rot-weiß doch noch in Führung. Dieses Mal nahm Acosta einen Kieler Befreiungsschlag auf, tanzte zwei Gegenspieler aus und  gab die Kugel nach rechts außen zu Emre Uluck. Der lief durch bis zur Grundlinie, legte schön zurück an den Fünfmeterraum und Michael Dessel schob den Ball genau passend am Torhüter vorbei zum 2:1 (77.). Der Torjäger zeigte seine große Freude mit einem Jubel-Lauf über den gesamten Platz.

Auf Kieler Seite wurde es erst einmal still. Die Mannschaft ließ sich vom Rückstand allerdings nicht beeindrucken. Was hatten sie schon noch zu verlieren? Weiterhin arbeiteten die Nordlichter knallhart für ihr Ziel. Jetzt ließ Wiesbaden den Gegner kommen und lauerte auf den alles entscheidenden Konter. Kiel hatte große Probleme, den Abwehrriegel der Gäste zu überwinden.

Nur einmal keimte noch Hoffnung in Schleswig-Holsteins Hauptstadt auf. Eine weite Flanke von Armando Fillol segelte bis in den Strafraum. Zunächst köpfte Arno Hinzmann den Ball vor Arthur Karpejew weg. Bei der zweiten Hereingabe rutschte Jens Edberg am Ball vorbei. Beim nachfolgenden Konter holte RWW eine Ecke heraus. Hier hatte Emre Uluck die Entscheidung auf dem Fuß. Bei seinem Gewaltschuss rettete allerdings Meier mit grandioser Fußabwehr. Mehr konnte der Torhüter nicht mehr tun, denn kurze Zeit später war der Krimi vorbei.

Erleichtert und begeistert zugleich über das geschaffte fielen die rot-weißen Krieger zu Boden. Der TSV Kiel hat RW Wiesbaden einen tollen Fight geliefert. Am Ende gelingt dann aber doch der knappe, aber verdiente Erfolg bei den Norddeutschen. Für die Wiesbadener geht es nach dem 27. Spieltag weiter im Halbfinale.

Auch in den Interviews nach Spielschluss konnte man den beteiligten die Freude anmerken. „Die Mannschaft hat heute über weite strecken wieder guten Fußball gespielt. Wieder einmal haben wir als Einheit agiert. In der ersten Hälfte haben wir uns von Kiel den Schneid abkaufen lassen, da waren die Mannschaft wohl sehr erstaunt, was da auf sie einwirkte. Unsere Reaktion nach der Pause war dann genau das, was wir gebraucht haben. Auch die Chancenverwertung war wieder fast optimal, so dass ich als zufriedener Trainer heute nach Hause gehe“, sagte Kevin_93.

Ausgleichs-Torschütze Emre Uluck sprach mehr als Kapitän der Mannschaft: „Wir stehen zum zweiten Mal in Folge im Pokal-Halbfinale, wer schafft das schon, abgesehen von Stuttgart? Wir wollten komischer Weise heute erst den Kampf, mit dem wir ja in der Liga  oft unsere Punkte holen nicht richtig annehmen. Genau das hat uns der Trainer dann in der Pause nahe gelegt. Wichtig war, dass wir den Ausgleich schnell geschafft haben. Danach hatten wir noch genug Zeit und haben genau so gespielt, wie man als Favorit in so einer brisanten Partie spielen muss. Der Sieg gibt uns jetzt noch einen Schub für die kommenden Aufgaben in der Liga.“

Zu guter Letzt hatte noch Siegtorschütze Michael Dessel das Wort: „Kiel hat heute das Maximum herausgeholt. Ich persönlich hätte sie ohne ihren Toptorjäger nicht so stark erwartet. Vielleicht war das heute genau unsere Schwachstelle. Wir haben das Fehlen von Neuschütz nicht wirklich ausnutzen können und waren überrascht von Kiels großem Kampf. Am Ende haben wir es Dank überragender Effektivität und einer Leistungssteigerung zu verdanken, jetzt im Halbfinale zu stehen. Ich persönlich habe keinen Wunschgegner, ein Heimspiel würde mich aber freuen.“

Nach diesem tollen Pokal-Erfolg ist schnelles Umschalten jedoch angesagt. Bereits am kommenden Montag geht es mit dem 20. Spieltag in der Liga weiter. Mit Union Leverkusen gastiert eine Topmannschaft in der RWW-Arena. In der nahen Vergangenheit sah RWW gegen die Union zu Hause allerdings immer gut aus. Ob die Mannschaft auch in der Liga auf Erfolgskurs bleiben kann, erfahren Sie hier.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen